Zwei kurze Gedankensplitter

Heute möchte ich mit euch einfach nur kurz zwei Beobachtungen teilen, die ich in den letzten Tagen gemacht haben. Sie haben mir auch wieder bewusst gemacht, dass es nicht immer langes Studieren eines Buches braucht, sondern die Begegnung und das Interesse für Menschen, um fürs Leben zu lernen.

Freundlichkeit
Die erste Beobachtung habe ich an einem frühen Morgen in einer Innenstadt gemacht. Diese erwachte gerade zum Leben und die Geschäftsleute begannen, ihre Läden für den Tag zu richten. Da kam ich an zwei Frauen vorbei. Beide stiegen gerade aus ihrem Auto, mit recht ernsten Gesichtern. Wie es halt an einem kalten Morgen manchmal so ist. Eine der beiden öffnete dann die hintere Tür des Autos und plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Er wurde sanfter, weicher und ein Lächeln erschien auf den Lippen. Ich hatte schon einen Verdacht, wie es zu dieser Veränderung kam und ein Blick auf den Rücksitz hat es bestätigt: Da lag ein Baby in der Autoschale und blickte diese Frau an.
Auf meinem weiteren Weg habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, wie wir es schaffen könnten, diesen warmen, lächelnden Gesichtsausdruck dieser Frau nicht nur einem Baby zukommen zu lassen, sondern auch anderen Erwachsenen. Denn sind wir uns ehrlich: meistens laufen wir eher mit finsteren Gesichtern durch die Welt. Dabei würde es uns, als auch unseren Mitmenschen so gut tun.

Achtet doch einfach auch einmal drauf!

„Schräge Zahlen“
Der zweite Punkt, den ich euch nur kurz erzählen möchte, bezieht sich auf das Thema, das ich ja schon im Text „Die Paradoxien unserer Sprache“ diskutiert habe. Neulich waren wir mit unseren Kindern wandern und sie haben irgendein Spiel mit Zahlen gespielt. Da sagte unsere Tochter: „Jetzt aber einmal ohne die schrägen Zahlen!“ Da habe ich sie angeschaut und gefragt, was sie damit meint. Daraufhin hat sie mich wieder verwirrt angesehen und plötzlich viel bei mir der Groschen: Sie meinte natürlich die „ungeraden“ Zahlen. Ist das nicht einfach herrlich, wie Kinder mit unserer Sprache spielen und wie sie uns auf die Paradoxien aufmerksam machen?!

Neulich auf dem Spielplatz

Auf Spielplätzen tummeln sich die unterschiedlichsten Menschen – große und kleine – und mit ihnen auch ganz verschiedene Umgangsformen. Da gibt es immer wieder etwas zu entdecken, vor allem, wenn man so wie ich kein Handy dabei hat, die Kinder fein spielen, und einem eigentlich nur das Beobachten als Beschäftigung bleibt.

Kurzer Einschub
Als ich bemerkt habe, dass ich mein Handy nicht dabei hatte, war tatsächlich mein erster Gedanke „Wie beschäftige ich mich jetzt?“ Im gleichen Moment bin ich über mich erschrocken, weil ich mich fragte: „Kann ich wirklich nicht mehr einfach nur dasitzen und genießen?“

Beobachtung
Also gut. Ich saß also da und habe mich umgeschaut und habe folgende Situation beobachtet:
Ein Mann – in meiner Wahrnehmung wahrscheinlich der Vater – hat ein Mädchen von ca. fünf Jahren in einer Hängematte angeschaukelt. Das hat ihr ganz offensichtlich gefallen, doch plötzlich fiel sie aus der Matte auf den mit Hackschnitzel bestreuten Boden. Es folgte sehr lautes Weinen. Der Mann packte das Mädchen hektisch und kam mit raschen Schritten auf die Frau – dem Umgang miteinander sicher die Mutter – zu. Was dann folgte, war so sinnbildlich wie erschreckend. Die Mutter hat dem Vater das laut weinende Mädchen aus dem Arm genommen und ab dem Zeitpunkt hatte er keinen Kontakt mehr zu dem Kind. Er hat der Mutter noch ein paar Tücher zum Abtupfen des Gesichtes gereicht, aber er durfte das Kind weder halten, noch etwas sagen. Vielmehr war der nächste Schritt, dass die Mutter mit dem Kind vom Vater wegging. Er saß dann einige Meter entfernt und ging hilflos ein paar Schritte hin und her und wusste ganz offensichtlich nicht, was er tun soll.
Bis zum Schluss hat der Vater das Kind nicht mehr getröstet und auch als sie dann den Spielplatz verließen, hat die Mutter weiterhin das Kind getragen, während er das Kinderfahrrad geschoben hat.

Meine Gefühle dazu
Es würde mich wirklich sehr interessieren, welche Gedanken euch bei dieser Erzählung durch den Kopf gehen. Leider kann ich auch nur meine sagen: Ich war erschrocken. Ich wollte am liebsten zu dem Vater hingehen und ihn motivieren, doch zu seiner Tochter zu gehen, um sie zu trösten, um ihr sagen zu können, dass es ihm leidtut. Selbstverständlich war keine Absicht hinter diesem Unfall. Und ja, das Mädchen hat sich ganz offensichtlich eine Wunde an der Stirn zugezogen. Umso schlimmer fand ich es, dass derjenige, der beim Unfall dabei war und offensichtlich selber erschrocken war, in der Phase der Tröstung keinen Platz mehr gefunden hat. Dabei ist es doch genau diese Zeit, die für die Beziehung so wichtig wäre: zeigen zu können, dass ich da bin, wenn mein Kind Trost braucht.

Geschlechterrolle
Ich kam bei dem Beispiel nicht umhin mich zu fragen, ob ich hier ein Paradebeispiel für eine Rollenverteilung zwischen Eltern und Kindern gesehen habe. Ist es so, dass wir Mütter dazu tendieren, den Vätern das Trösten nicht zuzutrauen? Das Gefühl haben, dass nur wir diesen „Job“ beherrschen?
Das wäre ein weiteres, sehr wichtiges Thema, das es zu diskutieren gilt. Für dieses Mal nur so viel: Lassen wir zu, dass auch andere unser Kind trösten können, auf jeden Fall auch der andere Elternteil.