Das Ritual – ein wichtiger Bestandteil im Alltag

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Familie“ des Vorarlberger Familienverbandes habe ich einen Beitrag zum Thema „Rituale“ verfasst, den ich euch hier gerne zur Verfügung stelle:

Das Ritual – ein wichtiger Begleiter im Alltag

Rituale – Sie pflastern unseren ganzen Lebensweg. Nicht immer sind sie uns als Ritual bewusst oder macht sich ihre Wichtigkeit direkt bemerkbar. Oft ist es erst ihr Wegfallen, das uns klarmacht, wie essenziell sie sind.

Rituale in Familien
Rituale sind so individuell wie Familien und ihre Mitglieder. Sie geben Struktur und Verlässlichkeit und einer Familie auch eine eigene Identität. Es sind dabei nicht immer die großen, gesellschaftlich definierten Rituale, sondern kleine Routinen, die sich über die Zeit entwickelt haben, die eine Familie definieren. Kinder lieben und brauchen Rituale, denn Rituale schaffen Nähe.

Installieren von Ritualen
Es gibt zwei Wege, wie Rituale ihren Platz in der Familie finden. Manche werden bewusst entschieden, andere wiederum entstehen unbemerkt. Erst wenn sie von Kindern eingefordert werden, wird klar, welche Bedeutung sie auch für sie haben. Ihr Stellenwert wird meist bemerkbar, wenn sich die Struktur innerhalb des Familiengefüges verändert.
Anbei ein Beispiel einer vermeintlich kleinen Veränderung: Die Kinder waren es gewohnt, dass die Eltern zur Tür kommen, wenn sie von der Schule nach Hause kommen, sie mit einer Umarmung und einem Kuss begrüßen. Nun kam es, dass sich die zeitliche Struktur ein wenig verändert hat. Dass die Eltern an manchen Tagen kurz vor ihnen von der Arbeit kommen und gerade das Mittagessen kochen, wenn die Kinder klingeln. So wurde es praktischer, schnell den Öffner zu drücken und aus der Küche eine Begrüßung zu rufen, als zur Tür zu gehen.
Sensibel wie Kinder aber nun einmal sind, hat diese scheinbar kleine Veränderung zu Irritation und zu Protest geführt.

Wegfall von Ritualen
Rituale haben einen gewissen Gewohnheitscharakter. Sie schleichen sich automatisch in den Alltag ein. Für Kinder geben sie Halt und Sicherheit. Bereits bei Babys kann beobachtet werden, dass Veränderung von Gewohntem, von Erwartbarem zu Unruhe führt. Und manchmal hilft es Eltern, Reaktionen ihres Babys, aber auch von kleineren oder älteren Kindern unter diesem Aspekt zu betrachten.

Ein weiteres Beispiel aus dem Alltag dazu: Man ist auf einem Geburtstagsfest eingeladen und isst noch dort zu Abend. Vielleicht denkt man als Eltern auch daran, die Kinder extra darauf hinzuweisen, etwas zu essen. Geht aber irgendwie davon aus, dass dies ja selbstverständlich ist. Dann, zu Hause, wenn wir als Erwachsene schon gedanklich dabei sind, den Kindern die Zähne zu putzen und sie ins Pyjama zu stecken, kommt die Frage: „Und was gibt es zum Abendessen?“. Im ersten Moment ist man als Eltern verwirrt. Doch wenn wir unser Kind dann fragen, stellen wir fest, dass es nicht darum geht, nicht ins Bett zu wollen oder dass es tatsächlich noch Hunger hat, sondern es fällt etwas weg, was doch eigentlich zum Abendritual gehört. Für Kinder kann dies schon ein großer Eingriff in ihren Alltag bedeuten. Schon der Wegfall eines vermeintlich kleinen Rituals hinterlässt eine Lücke bzw. kann eine bestehende Struktur durcheinanderbringen. Dann heißt es, dieses Ungleichgewicht wieder auszugleichen.

Veränderung von Ritualen
Familiäre Rituale unterliegen einer natürlichen Veränderung. So wie sich die einzelnen Familienmitglieder entwickeln, verändern sich und wachsen auch diese. Doch wie die beiden vorherigen Beispiele zeigen, ist ein zentraler Punkt, Veränderungen auszusprechen und nachzuspüren, ob dies für alle passend ist.

Abschiedsgesten sind gute Beispiele dafür, wie Veränderungen möglich sind. Eine Umarmung und ein Kuss zum Abschied ist etwas, was bei Kleinkindern nicht fehlen darf. Je älter Kinder werden, umso weniger wollen manche das – zumindest nicht vor anderen. Da heißt es Alternativen zu finden. Dabei bewährt sich oft die Kreativität von Kindern.
Ein wunderschönes Beispiel habe ich vor Kurzem gehört: Hier ist das abendliche Rituale des Gute-Nacht-Kusses und der festen Umarmung, nicht freiwillig, sondern krankheitsbedingt weggefallen. Weil das Mädchen aber einfach nicht darauf verzichten wollte, hat es kurzerhand ihr Kuscheltier zur Vermittlerin auserkoren. Das heißt, der Kuss wurde dem Tier auf die Wange gedrückt und dann die Wange an der eigenen Wange abgestreift. Gleich ging es in die andere Richtung. Weiters wurde das Kuscheltier einmal ganz fest gedrückt und so die Umarmung stellvertretend weitergegeben.

Man sieht, wie wichtig für dieses Mädchen das abendliche Ritual ist und welche kreativen Weg es sich hat einfallen lassen, es trotz der Umstände umzusetzen.

Ändern aber nicht streichen
Wie wir sehen, haben familiäre Rituale oft auch etwas mit Routine zu tun. Sie können Sicherheit und Wohlgefühl geben. Gleichzeitig dürfen sie nicht zu starr werden und damit der natürlichen Entwicklung im Wege stehen.  Sie zu verändern verlangt Mut, Offenheit und Ehrlichkeit. Doch ist es in manchen Lebensphasen notwendig. So ist es für ein Kleinkind eine unbezahlbare Wohltat, wenn es am Abend von den Eltern eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen bekommt. Wenn es dann selber schon lesen kann, gewinnt die Neugierde Oberhand und es möchte das selber probieren – vielleicht noch wohlig eingekuschelt in den Armen eines Elternteils. Wenn es dann ins Teenageralter kommt, müssen wieder ganz neue Formen des Abendrituals gefunden werden.

Rituale bereichern unser Leben. Sie fördern Zusammenhalt und Sicherheit. Kinder lieben Rituale. Und doch unterliegen auch sie einer natürlichen Entwicklung und verändern sich mit den Familienmitgliedern mit. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Erlaubt ist, was allen gefällt und ein wohliges Gefühl gibt.  

Vom Festhalten und Loslassen

In meinem aktuellen und gleichzeitig auch letzten Beitrag für das Kirchenblatt habe ich mich mit einem Thema beschäftigt, dass uns als Menschen und damit auch als Eltern immer wieder sehr beschäftigt: dem Festhalten und Loslassen. Wann ist für die eine Handlungsweise der richtige Zeitpunkt, wann für die andere…

Zum gesamten Beitrag kommt ihr hier.

Vom Festhalten und Loslassen

Wir alle kennen die Aussage „Zwei Dinge sollen wir unseren Kindern geben: Wurzeln und Flügel.“ Auch ich zitiere diesen Satz gerne in meinen Elternbildungsvorträgen zum Thema Bindung. Er ist auf der einen Seite sehr eindrücklich, doch andererseits ist es emotional so unglaublich schwierig.

Wann ist der richtige Zeitpunkt wofür?
Jetzt vor dem Start des neuen Kindergarten- und Schuljahres stehen wir Eltern wieder vor dieser Frage. Vor allem nach den 9 Wochen sehr intensiver Familienzeit heißt es nun wieder loslassen. Seine Kinder allein auf den Schulweg zu lassen. Sie allen Herausforderungen, die sich dort stellen, erleben und meistern lassen. Gleichzeitig aber im Hintergrund da zu sein, sodass sie zurückkehren können, wenn sie wieder einmal etwas mehr Nähe brauchen.

Eigene Erfahrung
Auch mein Mann und ich stehen gerade an diesem Punkt. Unsere Tochter startet in einer Woche mit der Schule. Und schon in den letzten Wochen hat man vermehrt ihren Drang nach Eigenständigkeit bemerkt. Für uns kam es etwas überraschend, weil die Monate davor geprägt waren von Trennungsschmerz seitens unserer Tochter und von viel Klammern. Sie wollte kaum mehr irgendwo allein hin. Jeder Abschied in den Kindergarten war für alle Beteiligten eine Qual, auch wenn dann der Vormittag für sie wieder viel Freude gebracht hat. Von einem Tag auf den anderen aber hat sich das Blatt gewendet. Sie hat den Kindergartenweg wieder allein gemeistert, hat sich den anderen Kindern und auch Erwachsenen mehr geöffnet.

Umstellung
Gerade diese schnellen, unvorhersehbaren Wechsel zwischen Nähe suchen und sich Loslösen ist für Eltern eine Aufgabe, bei der es nicht immer ein Richtig oder Falsch gibt. Grundsätzlich verlangt es etwas, was wir in keinem Erziehungsratgeber, auch in keinem Blog nachlesen können: Es verlangt eine Besinnung auf unsere elterlichen Instinkte, auf ein Vertrauen in unsere Beziehung zum Kind, dass es uns zeigt, was es gerade braucht.

Abschiedsschmerz
Jede*r von euch wird momentan in einem anderen Familienstatus sein. Die einen sind vielleicht gerade in der Zeit, in der sie sich wünschen, endlich wieder einmal allein ins Bad gehen zu können oder in Ruhe ein Buch zu lesen, ohne dass das Kind einen ständig als Schatten begleitet. Die anderen wünschen sich vielleicht, dass sie von ihrem Kind mehr zu sehen bekommen als den Rücken, wenn es gerade wieder aus der Tür raus auf dem Weg in ein neues Abenteuer ohne Eltern ist.
Wir alle müssen uns mit der jeweiligen Situation arrangieren, denn wir können und sollen die Entwicklung der Kinder nicht aufhalten oder beschleunigen.

Allen, die im selben Boot wie mein Mann und ich sitzen und ebenfalls einen ersten Schultag in diesen Tagen erleben, wünsche ich, dass wir das Vertrauen in unsere Kinder haben, dass sie es meistern werden. Dass wir sie gehen lassen können, ohne uns nur Sorgen zu machen. Dass wir uns aber gleichzeitig auch erlauben, die eine oder andere Träne zu verdrücken, dass sie schon so groß sind. Dass wir uns vielmehr auch mit ihnen freuen, dass dieser nächste Lebensabschnitt nun endlich da ist. In einem Interview in der Zeitschrift „Welt der Frauen“ habe ich mich mit einer Mama darüber ausgetauscht, dass wir solche Situation auch als Eltern mit einem Ritual begehen sollten. Denn schließlich ist das Loslassen der Kinder ein großer Schritt!

Kindern sichere Orte bieten

Wie angekündigt kommt hier mein Beitrag zum Thema „sichere Orte“, den ich für die aktuelle Ausgabe des Kirchenblattes verfasst habe.

Wie immer freue ich mich über eure Rückmeldungen!

Mein Ein und Alles – Das Kuscheltier

Für einen Artikel habe ich mich vor Kurzem mit dem Thema „Sicherheit/ Sicherer Ort für Kinder“ beschäftigt. (Den Artikel stelle ich euch nach der Veröffentlichung selbstverständlich gerne zur Verfügung). Und wie es nun einmal so ist, kann man in einem Artikel nicht immer alle Gedanken niederschreiben, die zu einem Thema passen würden.
Daher beschreibe ich euch einen weiteren Aspekt auf diesem Weg.

Ein Kuscheltier
Es gibt für Kinder auf der einen Seite sichere Orte. Orte, an denen sie sich wohl und beschützt fühlen, an denen sie Trost und Geborgenheit finden.
Es gibt jedoch für Kinder auch noch etwas anderes, das ihnen diesen Schutz vermittelt: Kuscheltiere!

Eigene Erinnerung
Also ich kenne das aus meiner eigenen Kindheit: Ich habe von meinen Eltern im Alter von 7/8 Jahren ein kleines Kuschelpferd geschenkt bekommen, das mich von da an auf allen Wegen begleitet hat. Ich kann mich erinnern, dass ich es als Volksschulkind einmal mit in die Schule genommen und dort dann vergessen habe. Das war für mich eine unglaubliche Tragödie. Und ich konnte in der Nacht kaum Schlaf finden.

Auswahl treffen
Unsere Kinder haben auch ihre Lieblingskuscheltiere. Sie sind immer mit dabei und werden gekuschelt und gepflegt. Auf nichts anderes wird so viel Acht gegeben wie auf diese.
Spannend finde ich noch immer, wie diese beiden zu den Lieblingskuscheltieren gewählt wurden. Denn wie wahrscheinlich alle Eltern haben mein Mann und ich vor der Geburt unserer Kinder für sie ein Stofftier gekauft. Wir sind sogar in ein spezielles Geschäft gefahren und haben lange überlegt, welches wohl das passende wäre. Und siehe da: Die von uns getroffene Auswahl ist völlig uninteressant! Ein Lieblingskuscheltier, das auch noch ein Schutztier ist, muss vom Kind selbst ausgewählt werden. Dabei sind die Auswahlkriterien für uns Erwachsene meist völlig unklar.

Flexibilität gefragt
Für unseren Sohn war sein erstes Kuscheltier eine Fledermaus, die bei einem Kleidungsstück als Gratisgeschenk dabei war. Sie war unverzichtbar und ich kann gar nicht sagen, wie viele Stunden am Abend wir manchmal damit verbracht haben, diese Fledermaus zu suchen. Da sie ihn ja überall hinbegleitet hat, war sie oft unauffindbar. Mit der Zeit musste ich zunehmend Löcher stopfen. Sorgenvoll haben wir uns als Eltern überlegt, wie wir unserem Sohn beibringen können, dass diese Fledermaus irgendwann wahrscheinlich nicht mehr zum Reparieren geht. Doch die Sorge war zum Glück unbegründet. Er hat es selber bemerkt. Sie bekam dann von ihm einen geschützten Bereich gebaut, wo sie zwar immer noch in seiner Nähe ist, aber nicht mehr so heftig geknuddelt wird. Begeistert waren wir auch, dass es dann doch Ersatz für dieses Tier gab: Ein kuscheliger Wolf hat den Platz eingenommen und blickt uns nun am Abend mit seinen großen, wachsamen Knopfaugen an, wenn wir unseren Sohn ein letztes Mal zudecken. Er ist es auch, der in den Arm genommen wird, wenn es Unstimmigkeiten gibt oder unser Sohn sich wehgetan hat.

Unterschiede
Anders war es bei unserer Tochter: Bei ihr war es über lange Zeit nicht klar, welches das Lieblingstier wird. Diese haben immer wieder gewechselt. Waren zum gewählten Zeitpunkt zwar überall dabei, doch die Zuneigung hielt nicht lange, bis sie kam: Lilly – ein kuscheliges Pferd, das nun seit geraumer Zeit das Ein und Alles unserer Tochter ist. Sie wird gepflegt, angezogen und zugedeckt. Sie sitzt natürlich auch am Esstisch bei uns und bekommt ihre eigene Portion.

Bestehende Bedeutung
Wir sehen also: Die Wichtigkeit von Kuscheltieren darf nicht unterschätzt werden. Sie sind für Kinder wie ein bester Freund/eine beste Freundin, die immer da sind, wenn sie gebraucht werden.
Und was wird aus den Kuscheltieren, wenn wir älter werden? Ich kann nur von mir sprechen: Mein Kuschelpferd steht noch immer auf meinem Nachtkästchen, wird hin und wieder von meinen Kindern – auf Grund seines Alters mit aller Vorsicht – in ihr Spiel integriert und taucht ab und zu auch in meinem Koffer auf, wenn wir auf Reisen sind 😊

Zum Nachschauen: Online-Seminar

Für diejenigen von euch, die am Dienstag keine Zeit hatten, live dabei zu sein, und diejenigen, die einfach noch einmal nachhören möchten, füge ich hier den Link zur Aufzeichung meines elternweb2go-Seminars ein.

Vielleicht haben die einen oder anderen von euch ja ein paar Anmerkungen dazu…

Online-Seminar zum Thema „Bindung“

Heute möchte ich euch auf eine spannende Veranstaltung hinweisen:

Am 12. März 2019 darf ich wieder auf elternweb2go ab 20:15 Uhr referieren. Das Thema dieses Mal: „Bindung fürs Leben – Wie Kinder bärenstarke Wurzeln bekommen“.

Nähere Informationen zu diesem Seminar findet ihr hier.

Das Angebot von elternweb2go ist kostenlos – ich freue mich auf zahlreiche Teilnahme!

 

 

Ein Gesetzeshüter ohne Beziehung

Vor Kurzem durfte ich in meiner Arbeit einen Vater begleiten, der das Gefühl hatte, den Kontakt zu seinem 6-jährigen Sohn verloren zu haben. Der Vater ist alleinerziehend und zusätzlich voll berufstätig. Bisher konnten die beiden die Situation gut managen und waren nach Aussage meines Klienten ein tolles Team.

Kontaktverlust
Für ihn unerklärlich hat sich jedoch vor ein paar Wochen ein Phänomen eingeschlichen, das der Vater mit folgender Frage beschrieben hat: „Wann bin ich eigentlich zum Gesetzeshüter geworden und bin nicht mehr Begleiter meines Kindes?“
Was meinte er damit? Er hat selber gemerkt, dass im Kontakt mit seinem Sohn, sei es beim Essen, bei Ausflügen, zum Schlafengehen – eigentlich egal, welche Situation – der Vater nur mehr darauf achtet, dass die gesetzten Regeln eingehalten werden. Dies hatte eine zunehmende Verschlechterung der Vater-Sohn-Beziehung zur Folge, die nur noch durch Konflikte gekennzeichnet war. Das „Teamgefühl“ von früher sei völlig verloren gegangen.
Im Gespräch beschrieb er noch eine weitere Beobachtung, die ihn bekümmerte: Er zeige seinem Sohn die Welt nicht mehr! Vor ein bis zwei Jahren habe er ihm Dinge noch erklärt, habe sich Zeit genommen. Jetzt, so bemerke er, erwarte er von seinem Sohn, dass er sich selber beschäftigt und selber – ohne ihn – auf Entdeckungsreise geht.

Kontrollmodus
Ich fand die Beschreibungen des Vaters sehr eindrücklich, und möchte sie daher auch mit euch teilen. Denn fallen wir als Eltern nicht oft in diesen Kontrollmodus? Das passiert oft unbemerkt und schleichend. Erst in der Beziehungsunterbrechung und in der Anhäufung der Konflikte wird es zunächst spürbar. Wir sind nur mehr drauf ausgerichtet, zu kontrollieren, ob die Regeln eingehalten werden, ob das Benehmen passt. Wir verfallen in ein Verhalten, bei dem wir dann wirklich jeden Regelverstoß wahrnehmen und ahnden. Wir haben dann meist das Gefühl, dass unser Kind völlig unfolgsam ist und hören auf, die positiven Eigenschaften unseres Kindes überhaupt wahrzunehmen.

Abbiegemodus
Doch wenn wir einen Moment innehalten, dann merken wir vielleicht, dass es in diesem Fall nicht eigentlich das Kind ist, dass ein schwieriges Verhalten zeigt. In den meisten Fällen ist es genauso Kind wie vorher. Eher sind es wir als Eltern, die eine falsche Abzweigung genommen haben. Unsere Wahrnehmung ist nur noch auf Fehler hin geschärft und nicht mehr auf die guten Dinge.
Natürlich besteht ein Teil unserer Aufgabe auch in diesem unangenehmen „Überwachen“ bzw. Achten, dass Regeln eingehalten werden. Doch ist es ungünstig, wenn dies die Beziehung zum Kind bestimmt. Manchmal kann man doch einfach auch „fünfe gerade sein lassen“, wie eine alte Volksweisheit besagt.

 

 

 

Von Er- zu Be-ziehungsgedanken

Immer wieder werde ich von Menschen gefragt, für wen denn die Inhalte meines Blogs gedacht sind. Wer ist sozusagen mein „Gesprächsgegenüber“?

Ursprung
Klar, ich habe ihn „erziehungsgedanken.com“ genannt. Da geht man eigentlich davon aus, dass sich die Eintragungen primär um das Thema Kinder und Eltern drehen werden. Dies war auch mein ursprünglicher Gedanke – also meine Erfahrungen als Psychologin und zweifache Mama zu kombinieren und mit anderen zu teilen. In den meisten Texten und Themen auf meinem Blog ist das auch der Fall. Doch habe auch ich in den letzten Monaten eine Entwicklung gespürt und frage mich, ob nicht bei vielen Überlegungen auch noch ein anderer zentraler Aspekt durchschimmert: Das Thema „BE-ziehung“.

Entwicklung
Am Beginn des Blogs standen verschiedene Erziehungsthemen. Fragen, die uns als Eltern im Alltag begleiten. Situationen, die es sich selber zu erklären und zu bewältigen gibt. Je länger und intensiver  ich mich jedoch beruflich und privat mit dem Thema auseinandersetze, erscheint mir die Grenze „Erziehung – Beziehung“  immer fließender. Sind nicht wirklich viele Erziehungsthemen Beziehungsthemen? Wenn wir gemeinsam eine Situation diskutieren, stellen wir doch häufig fest, dass ein zentraler Aspekt darin besteht, mit dem Kind in Kontakt zu gehen, es ernst zu nehmen und mit ihm zu sprechen. Besteht ein Beziehungsabbruch zwischen Eltern und Kind, dann ist das nicht nur für die Entwicklung des Kindes verheerend. Es ist dann auch so, dass keine Erziehungsmaßnahmen mehr greifen.
Zwischendurch habe ich euch ja von Fortbildungen erzählt, die ich besucht habe, die im ersten Moment nicht vordergründig das Thema „Erziehung“ hatten. Und dennoch konnten wir für unser Thema Dinge ableiten.

Öffnung
Zurück zu unserer ursprünglichen Frage, für wen dieser Blog interessant sein könnte. Natürlich für Eltern oder ErzieherInnen, die sich täglich mit Kindern beschäftigen. Vielleicht auch für Großeltern, die ab und zu auf ihre Enkel aufpassen, oder möglicherweise hin und wieder eine Idee für ein Thema bekommen, das gerade für ihre Kinder zentral ist. Doch eigentlich für alle Menschen, die sich nicht nur mit Kindern, sondern allgemein mit den Menschen beschäftigen möchten. Und ich merke, dass es mir zunehmend ein Anliegen ist, diese Brücke zu schlagen. Denn ist nicht die Eltern-Kind-Beziehung ein Symbol dafür, wie wir Beziehung allgemein leben oder auch leben sollten?

Bleib stehen!

In einer meiner letzten Teamsupervisionen hat einer meiner Kollegen ein tolles Bild geschildert, das er einem seiner Klienten mit nach Hause gegeben hat. Er hat dieses zwar ursprünglich auf die Paarbeziehung bezogen, aber während ich ihm so zugehört habe, dachte ich mir, dass das für uns als Eltern auch wunderbar passt.

Der Rettungseinsatz
Wird ein Rettungshubschrauber zu einem Einsatz ins Gebirge gerufen, gibt es immer einen sogenannten „Einweiser“. Dieser Rettungssanitäter ist dafür da, dem Piloten den Landeplatz anzuzeigen. Vor allem bei schlechter Sicht oder auch bei Sturm verlangt diese Aufgabe viel Mut und gute Nerven. Sieht der Pilot nämlich den Platz an sich nicht, ist dieser Mensch, ausgestattet mit Lampen und Reflektoren, sein einziger Orientierungspunkt, der sich keinesfalls bewegen darf. Es kann dabei sogar zu Situationen kommen, in denen es zu einer Berührung zwischen Hubschrauber und Mensch kommt. Die oberste Devise bleibt dennoch: Keine Bewegung! Halte die Umstände aus! Halte auch die Annäherung und die Berührung durch den Hubschrauber aus! Bleib stehen! Denn wenn du dich bewegst, hat das gravierende Folgen!

Eltern-Kind-Beziehung
Wenn wir dieses Bild bzw. diesen Rettungseinsatz auf unsere Begegnungen als Eltern mit Kindern herunterbrechen, dann wird deutlich, dass auch wir immer wieder dieser Rettungssanitäter sind. Manchmal schlägt auch uns ein etwas härterer Wind ins Gesicht, es gibt Auseinandersetzungen, Reibereien. Die Kinder suchen ihre eigenen Wege. Nicht immer funktioniert das reibungslos. Meist handelt es sich hier um herausfordernde Prozesse. Auf der einen Seite wählen Kinder uns Eltern als Orientierungspunkt. Von uns aus machen sie sich auf den Weg zu neuen Ufern. Gleichzeitig aber konfrontieren sie uns, fordern sie uns. Ihre Entwicklung ist dann davon abhängig, dass wir stabil stehen bleiben. Dass wir uns nicht bewegen, sondern eben in diesen unruhigen Zeiten für sie der stabile Ankerpunkt bleiben.

Ich habe mir dieses oben beschriebene Bild mitgenommen und führe mir es in unterschiedlichen Konfliktsituationen vor Augen. Dabei jedoch nicht nur, dass ich selber dieses Stabile für mein Gegenüber sein soll, sondern dass auch ich selber immer wieder ein solches brauche.

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