Verordnete Nähe braucht Achtsamkeit

Heute möchte ich einen etwas anderen Gedanken mit euch teilen: Eltern als Paar.

Wenn wir aus Rücksicht auf unsere Liebsten aktuell Abstand halten und zu Hause bleiben, dann führt das im engsten Familienkreis automatisch zu mehr Nähe. Wir verbringen so viel Zeit mit unseren Familien, wie noch selten zuvor. Der Umgang mit dieser ungewohnten Nähe bedingt eine besondere Achtsamkeit in der Partnerschaft, damit die normalerweise stärker getrennten Lebenswelten harmonieren. In einer solchen „Extremsituation“ werden die Rollen der Partnerschaft neu definiert. Dabei ist die Gefahr besonders hoch, dass jemand auf der Strecke bleibt. Vielfach werden uns die Rollen durch äußere Faktoren wie Job oder andere Verpflichtungen aufgedrängt und genau hier liegt der berühmte Hund begraben.

Während beispielsweise bei Familien mit schulpflichtigen Kindern vielerorts Männer auch zu Corona-Zeiten ihrer üblichen Beschäftigung nachgehen (müssen), sind es somit die Frauen, die beim Home-Schooling zusätzlich die Aufgaben der Schulbildung übernehmen und ihr eigenes Berufsleben zurückstecken. Weitere Beispiele sind der Jobverlust oder mögliche Existenzängste im Falle einer Selbständigkeit. All diese Faktoren und der auferlegte Umgang mit einem neuen Alltag belasten eine Beziehung und können zu Spannungen führen. In Verbindung mit der neuen Nähe schafft das eine große Herausforderung für eine Partnerschaft. Diese können wir dann bewältigen, wenn wir gerade jetzt offen miteinander in Verbindung treten, unsere Ängste, Anliegen und Wünsche kommunizieren und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass wir ein ebenso offenes Ohr für unser Gegenüber haben.

Auf der Suche nach einer Perspektive

Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber als am Wochenende des 16.03.2020 die Regierung den kompletten Shutdown im Land beschlossen hat, war das ein Schock. Nicht nur wegen der unbekannten Gefahr, die durch das Virus bestand, sondern auch, weil das Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt wurde. Doch in der Familie wurde ein neuer Rhythmus gefunden. „Es ist ja nur vorübergehend“, war wohl für viele von uns der tröstende Gedanke.
Die Karwoche und Ostern waren irgendwie so ein Zeitpunkt, der immer wieder durch die Medien und durch unser aller Köpfe geschwirrt ist. Ab da wird das Leben ja wieder seinen normalen Gang nehmen.

Wenn die Perspektive schwindet
Doch dieser Zeitpunkt ist seit einer guten Woche vorbei. Klar, einige Dinge haben sich geändert. Die Wirtschaft wird langsam wieder hochgefahren, doch von Normalität ist man noch weit weg. Masken werden getragen, Abstand wird gehalten, die Freiheit bleibt eingeschränkt.
Für Familien fehlt weiterhin eine große Perspektive: Wann können Kinder wieder in die Spielgruppe, in den Kindergarten in die Schule? Und wann gibt es dadurch wieder ein Durchatmen für Eltern und Kinder?

Vier Wochen schienen es zunächst zu sein. Vier Wochen waren absehbar. Es war fast wie ein Abenteuer, spannend und neu und doch mit einem Ende in Sicht. Es war eine Chance, Beziehungen innerhalb der Familien zu stärken, die im Alltag vielleicht eher vernachlässigt werden. Doch nun sind wir schon in der 6. Woche und weiterhin als Eltern und Kinder ohne Perspektive. Nicht nur die fehlende Perspektive stellt dabei eine große Belastung dar. Diese Unklarheit und dieses Zuwarten auf den nächsten Schritt belastet auch die Beziehungen und zehrt am Aufgebauten.

Restart, doch wohin
Irgendwie brauchte es überall nach den Osterfeiertagen einen Neustart, ein neues Sammeln von Energie und Zuversicht. In den einen Familien geht es dabei darum, sich mit der Situation zurecht zu finden, für einen noch unbestimmten, längeren Zeitraum aufeinanderzusitzen. In anderen Familien geht es aber auch um Auseinandersetzung mit Einsamkeit, mit der Tatsache, dass wir bestimmte Menschen weiterhin nicht treffen sollen oder können.

Unschätzbarer Wert einer Perspektive
Wir brauchen Perspektiven im Leben. Und gerade in Krisensituationen sind Punkte wichtig, auf die wir uns freuen können, die ein Fortbewegen aus der Starre bedeuten. Eltern und vor allem kleine Kinder werden hier in der Gesellschaft momentan ein wenig vernachlässigt. Zwar sollen Erwachsene wieder zur Arbeit gehen oder im Home-Office tätig sein und dabei natürlich auch froh sein, dass sie ihre Arbeit in der Krise behalten durften. Gleichzeitig schwirren da die Kinder herum. Sie müssen in ihrer eigenen Überforderung und Perspektivenlosigkeit den Kindern gute Eltern sein und ihnen Hoffnung und Perspektive geben.

Wie kann das gelingen?
Ich denke, wichtig ist, für sich selber und die vielleicht erlebte Niedergeschlagenheit Verständnis zu haben. Aus einer Hoffnung auf Normalität folgte Ernüchterung und eine Situation ohne Antworten, sogar das Gefühl des Vergessen-seins. Wenn das Außen keine Perspektive gibt, können wir das nur im Inneren schaffen. Wir müssen uns selber Höhepunkte schaffen wie zum Beispiel einen gemeinsamen Kinoabend, gemeinsames Spielen am Nachmittag, einen Ausflug im erlaubten Rahmen am Wochenende oder auch das Schaffen von Freiheit. Auch Planungen für die Zukunft sind hilfreich, um wieder Licht und Energie zu spüren.

Ich wünsche uns allen neben Gesundheit, auch Hoffnung und Perspektive – wenn auch nicht in der bekannten, dann doch zumindest hin zu einer neuen Normalität.

 

Empfehlung: Warzenbuckels Fabelwesen

Corona-Zeit ist auch Lese- und Hörspielzeit!
Eine große Herausforderung der jetzigen Zeit ist unter anderem, sich selber und seine Kinder zu beschäftigen. Die Möglichkeiten in der heutigen Zeit sind glücklicherweise sehr vielfältig. Und in dieser großen Vielfalt darf ich euch heute etwas vorstellen: Das Hörspiel der Warzenbuckels Fabelwesen – eine Geschichte von Christoph F. Minnameier.
Diese wunderbar erzählte Geschichte für Kinder ab 5 Jahre könnt ihr unter dem angeführten Link kostenlos anhören. Dafür heißt es Christoph Minnameier ein großes Dankeschön auszusprechen, denn das Eintauchen in diese tolle Welt erlaubt es Eltern und ihren Kindern zumindest für diese Zeitspanne der aktuellen, nicht immer leichten Realität zu entschwinden.
Also: Taucht ein in diese Zauberwelt und lasst euch verführen! Viel Vergnügen und bleibt g!

„Geschenkte“ Zeit, die es zu nutzen gilt

Für viele Eltern schulpflichtiger Kinder ist „Home-Schooling“ seit einigen Wochen und wohl auch noch längere Zeit das zentrale Thema. Oft saugt es ganz viel Energie, sodass manchmal der Blick für etwas Wesentliches verloren geht: Beziehung und echte Begegnung zwischen Eltern und Kind!

Jede Herausforderung birgt auch eine Chance. Für Familien ist das in der aktuellen Phase „geschenkte“ Zeit. Zeit, die miteinander verbracht und durchlebt wird. Zeit, die alle Mitglieder auf Grund der Umstände in den guten und schlechten Phasen stark miteinander verwebt – dadurch aber auch die Chance bietet, sich wirklich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen, ohne ständig unter Druck zu stehen. Gemeinsam kann sich eine Familie wieder neu definieren.

Es kommt auch wieder eine Zeit ohne „Home-Schooling“. Die Kinder werden sich wahrscheinlich noch sehr lange an diese außergewöhnliche Phase erinnern. Umso wichtiger ist es nun, mit ihnen gemeinsam gute Erinnerungen zu schaffen. Diese bestehen nicht primär darin, dass alle Lernaufgaben perfekt gelöst wurden. Vielmehr geht es um das erlebte Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Für Kinder ist zentral, welchen Raum sie für ihre Fragen und Ängste bekommen und wie sie aufgefangen wurden.

Wenn wir es als Eltern schaffen, unsere Perspektive in Hinblick auf unsere Kinder wieder zu weiten und mehr als die zu bewältigenden Lernaufgaben zu sehen, eröffnet sich uns ein wunderbarer Beziehungs-Raum, den es zu füllen gilt, und der Familien darin stärkt, gemeinsam diese Krise zu bewältigen.

Kinder, Eltern und die liebe Schule

Heute darf ich euch einen weiteren Artikel vorstellen, den ich gemeinsam mit einer Kollegin für das Ehe- und Familienzentrum geschrieben habe.
Vielleicht hilft er, eine neue Perspektive in der aktuellen Situation zu gewinnen.

Hier geht es zum ganzen Artikel.
Ich würde mich über Rückmeldungen freuen!

Gerne könnt ihr mich natürlich auch kontaktieren, wenn ihr eigene Fragen in der aktuellen Situation habt. Dann können wir vielleicht eine gemeinsame Lösung finden.

Bleibt gesund!