Nun ist es doch soweit

Wieder sitzen wir mit unseren Kindern zu Hause über den Schulbüchern. Jedoch nicht wie normalerweise zur Hausübung, sondern tatsächlich wieder im Home-Schooling. Daneben sind möglicherweise auch noch die jüngeren Geschwister zu betreuen, denen ebenfalls ihre Alltagsroutine abhandengekommen ist.

Lange hat die Politik uns weisgemacht, dass sie aus dem Lockdown im März – der sich im Bereich der Schulen ja bis in den Mai gezogen hat – gelernt hat. Die Auswirkungen nicht nur auf den Wissensstand, sondern vor allem auch auf die Psyche der Kinder waren enorm. Doch alles war Augenauswischerei. Die Kinder sind wieder zu Hause und wir Eltern sind am Unterrichten. Neben Homeoffice und Hausarbeit.

Es wird in den Medien so gerne von „E-Learning“ gesprochen. Davon, dass nun einfach alles digital stattfindet – wie es sich für die moderne Welt gehört. Doch neben den Auswirkungen auf die Altersgruppen, (dazu gleich mehr), noch ein kurze Frage: Habt ihr auch schon ein längeres Teammeeting oder ein Seminar/eine Tagung online durchgestanden? Die Konzentration sinkt. Die Augen und der Kopf schmerzen schnell.

 Alle Altersgruppen bleiben auf der Strecke
Volksschulkinder, bei denen die meisten Eltern darauf achten, dass sie eben nicht viel vor dem Computer sitzen, können auf diesem Weg nicht adäquat unterrichtet werden. Sie brauchen soziale Zuwendung und echte menschliche Wesen, die neben ihnen sitzen und ihnen die Dinge erklären. Kinder in den Unterstufen sind gerade erst in einer neuen Schule angekommen und wieder mit völlig neuem Unterrichtsmaterial konfrontiert. Ein Lernen ohne eine erwachsene Person ist nur schwer machbar.

Von der Politik aber völlig übersehen werden die älteren Jugendlichen. Sie wurden in einer schnellen Aktion schon vor drei Wochen aus den Schulen verbannt und nach Hause geschickt.
 „Jugendliche sitzen doch eh den ganzen Tag vor dem Computer und dem Handy, da passt das doch ganz gut, wenn Schule so stattfindet.“ Diese oder ähnliche Gedanken müssen den Verantwortlichen wohl durch den Kopf gegangen sein, als sie ihre Entscheidung gefällt haben. Leider wurde auch hier aus dem ersten Lockdown nichts gelernt. Denn die jungen Menschen bleiben auf der Strecke. Sie werden in ihrer Entwicklung stark eingeschränkt.
Durch die Schließung von Bars und Lokalen haben sie keine Möglichkeit, jugendliches Verhalten zu leben. In einem Lebensabschnitt, in dem es eigentlich um Abgrenzung vom Elternhaus geht, werden sie dieses Schrittes beraubt und gezwungen, noch enger als sonst mit ihnen zusammenzurücken.

Dass Kontakt über die sozialen Medien nur bedingt den tatsächlichen persönlichen Kontakt ersetzt, ist uns allen bekannt. Unterhält man sich mit diesen jungen Menschen???

Unbestritten müssen wir alle unseren Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten. Natürlich liegt der Blick auf der körperlichen Gesundheit, auf dem Überleben der Menschen. Und genauso verständlich ist, dass nur eine funktionierende Wirtschaft unser aller Überleben und Wohlstand sichert.

Doch komme ich sowohl als Mama als auch als Psychologin nicht umhin mich zu fragen: Wo bleibt die psychische Gesundheit der Menschen? Wo bleibt der Blick auf die Eltern-Kind-Beziehung, die durch diese Maßnahmen noch einmal belastet wird – und das zum wiederholten Mal in diesem Jahr? Wieso werden ExpertInnen zu den verschiedenen Themen befragt, wenn dann doch nicht auf sie gehört wird?

Keine Wertung!
Der Fokus der meisten Maßnahmen liegt auf einer gewissen Altersspanne. Doch wieso wird überhaupt eine Wertung vorgenommen? Wir alle sind es wert, beschützt zu werden. Und genauso wären es auch die jungen Menschen gewesen, die verdient hätten, dass man ihnen ihre Chance auf eine gute Zukunft, Hoffnung und Optimismus  bewahrt.

Ich kann nur wie viele den Appell an die Entscheidungsträger richten, nicht der Verlockung nachzugeben, nach dem 6. Dezember „einfach die Weihnachtsferien früher starten zu lassen“. Denn das würde für einen gewichtigen Bevölkerungsanteil ein enormer Einschnitt in das Leben bedeuten und für einen hohen Prozentsatz an Kindern und Jugendlichen ein neues, enormes Defizit in ihrer Bildung, der geistigen und emotionalen Entwicklung.

Die Pause ist der Seele beste Freundin

Für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Familie“ des Vorarlberger Familienverbandes habe ich untenstehenden Beitrag zum Thema „Pause“ verfasst.

Was wäre ein Musikstück ohne Pausen zwischen den Noten? Wie wäre die Schule ohne die große Pause am Vormittag?  Was wäre eine Zugfahrt ohne Haltestellen? Was würden Wintersportler ohne Sommerpause machen? Was wären 90 Fußballminuten ohne Pausentee?

In vielen Lebensbereichen sind Pausen ein zentraler Bestandteil und geben Struktur. Doch wenn wir uns den Alltag vieler Familien ansehen, scheint es keinen Platz und keine Erlaubnis für Pausen zu geben. Dieser Aspekt des Lebens wird vernachlässigt. Der Alltag ist durchstrukturiert und die Kalender zeigen keine freie Zeit mehr auf.

Die Fülle des Kalenders
In einem Familienkalender kommen die Termine aller Mitglieder zusammen. Da geht es um Schule, Kindergarten, Spielgruppe, Büro, Haushalt, Vereine, Freizeit, Mitgliedschaften, vielleicht dann noch Freunde/Freundinnen. Es ist schier keine Zeit vorgesehen um innezuhalten, durchzuatmen oder sich miteinander auszutauschen.
In der heutigen Gesellschaft ist ein vollgepackter Kalender ein Statussymbol. Nimmt sich jemand Zeit für sich selber oder können Eltern sagen, dass ihre Kinder frei und Zeit für ein Treffen mit FreundInnen haben, wirken sie wie Exoten. Pausen werden immer wieder mit Faulheit und Inaktivität gleichgesetzt.

Vermeintliche Verschwendung
Vergleichen wir das Familienleben doch einmal mit einer längeren Autofahrt:
Hier wird den FahrerInnen, aber auch BeifahrerInnen von allen ExpertInnen empfohlen, regelmäßig eine Pause einzulegen, um damit Körper und Geist zu erholen. Es gibt sogar Ratschläge, wie diese Pausen gestaltet werden können: eine feine Tasse Kaffee, eine kurze Sporteinheit oder ein Spaziergang. Nur so ist eine sichere Weiterfahrt möglich.
Ein Familienleben ist auch eine längere Reise, auf der es immer wieder Pausen braucht. Diese sind wichtig zur Erholung. Jedoch ist für Familien nicht nur das Durchatmen wichtig. In diesen Zeiten des vermeintlichen Nichtstuns passiert gerade besonders viel. Denn nur so können die Mitglieder wirklich in Kontakt miteinander sein und wirkliches Wissen über den anderen erwerben.

Missverhältnisse aufdecken
Kehren wir noch einmal zu einem am Beginn erwähnten Beispiel – dem Fußballspiel – zurück. Die Halbzeitpause wird von den SpielerInnen genutzt, um sich kurz zu regenerieren. Gleichzeitig aber nutzt das Trainerteam diese Zeit auch, um mit den SpielerInnen die bisherige Taktik und mögliche notwendige Anpassungen zu besprechen.
Auch diesen Aspekt können wir auf das Familienleben umlegen. In den Zeiten, die nicht von anderen Terminen verpackt sind, wird eine Familie mit sich selbst konfrontiert. Mit dem, was gut funktioniert, aber auch mit dem, was eher ungünstig ist, aber im Alltag durch alle anderen Aktivitäten überdeckt wird. Es findet echte Begegnung statt.

Abschluss
Eine indische Weisheit sagt: „Wir müssen von Zeit zu Zeit eine Rast einlegen und warten, bis unsere Seelen uns wieder eingeholt haben.“
Pausen im Familienalltag sind unerlässlich. Sie ermöglichen Erholung, sind aber gleichzeitig auch Quell höchster Kreativität. Sie geben die Möglichkeit, ins Stocken geratene Rädchen in Beziehungen, sei es in der gesamten Familie, in der Paarbeziehung oder zwischen den Geschwistern, zu ölen und wieder zum Laufen zu bringen.
Immer wieder müssen wir uns selber ermahnen und uns darauf aufmerksam machen, eine Pause einzulegen. Vielleicht haben Sie nach dem Lesen dieses Textes einen Moment Zeit, durchzuatmen und das Gelesene in Ruhe zu verarbeiten.

Ich wünsche Ihnen eine erholsame Pause 😉