Ist es nur ein Leben, wenn der Terminkalender fast übergeht?
Das Thema des vollen Terminkalenders in Familien begegnet mir fast täglich – nicht nur privat, sondern auch in der Arbeit. Ein Treffen oder einen nächsten Beratungstermin zu vereinbaren scheint schier unmöglich, so durchgeplant ist das Leben der Eltern und der Kinder. Und immer wieder frage ich mich: Muss das so sein? Bin ich eine Rabenmutter, wenn mein Kind nicht jeden Nachmittag nach dem Kindergarten verplant ist, mit Schwimmkurs, Schikurs, Musikschule, Eltern-Kind-Turnen oder ähnlichem?
Luxus vs. Druck
Versteht mich bitte richtig: Ich empfinde es als Luxus, dass wir in einem Land leben, in dem sich so viele Menschen für Kinder engagieren und schauen, dass es ein vielfältiges Angebot für ihre Freizeit gibt. Es beeindruckt mich auch, wie phantasievoll viele Erwachsene sind. Gleichzeitig spüre ich als Mutter aber auch Druck. Was ist, wenn ich mein Kind nicht jedes dieser Angebote in Anspruch nehmen lasse. Das kann verschiedene Gründe haben. Diese Dinge kosten natürlich Geld, manchmal sogar viel Geld. Dann kosten sie auch Zeit. Zeit, die ich vielleicht lieber so mit meinem Kind verbringen oder einfach auch für mich selber zur Verfügung haben möchte. Vielleicht möchte ich einfach nicht neben der Arbeit und dem Haushalt die Kinder von Termin zu Termin fahren müssen.
Immer schneller, immer jünger
Vielleicht habe ich aber einfach auch das Gefühl, dass die Kinder immer noch jünger immer noch mehr bereits können müssen. Wenn sie in die Volksschule kommen, sollten sie schon schreiben und lesen, wenn nicht gar rechnen, können. Sie sollten mindestens ein Musikinstrument beherrschen und in mindestens einem Verein bereits im Kader sein und Turniere spielen. Schwimmkurse sollten schon mit spätestens vier Jahren besucht werden, obwohl sogar Schwimmlehrer sagen, dass es vor 5/6 Jahren überhaupt keinen Sinn macht und auch dann noch früh ist. Muss ein Kind auch wirklich schon im Alter von 4 Jahren richtig Schifahren können?
Ein Hoch auf die Phantasie!
Wenn ich wieder höre, wie verplant Kinder bereits in jungen Jahren sind, steht die Frage ich Raum: Wo bleibt Zeit für das freie Spiel? Wo bleibt die Möglichkeit, aber auch die Herausforderung für die Kinder, selber aus Gegebenem etwas zu entwickeln, ohne dass alles vorgegeben wird? Wie vor einiger Zeit in meinem Blog-Text „Kein Plan? Gut so!“ beschrieben, zeigt auch die Wissenschaft, wie wichtig es ist, dass die kindliche Phantasie gefördert wird. Zudem darf nicht alles, was Kinder tun, nur auf Leistung und auf Druck aufbauen. Einen Nachmittag lang im Spiel das Haus auf den Kopf stellen, ist für die Entwicklung oft wertvoller als ein vier Tage dauernder Wunder-Schikurs.
Außerdem ist das wärmende Gefühl, wenn ich dann in den Kinderzimmern den Raben mit einem Buch auf dem Stuhl sitzen sehe oder die Teddybären, die mit dem Steak aus der Kinderküche gefüttert werden, unbezahlbar!